Erinnern heißt kämpfen – Was es bedeutet, den 8. und 9. Mai zu gedenken
„(…)Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel(…).“
Am 75. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus erinnerten wir gemeinsam an alle Menschen, denen ihr Leben durch den Hass und den Terror des Naziregimes genommen wurde. Genauso gedachten wir derer, die ihr Leben im Widerstand gegen das Regime und für Frieden und Freiheit ließen.
Doch mit dem Ende des 2. Weltkriegs 1945 war der Faschismus längst nicht besiegt und auch der Schwur von Buchenwald „Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg“ hat sich bis heute nicht erfüllt. Es ist unsere Verpflichtung, so lange zu kämpfen, bis wir in einer Welt ohne Unterdrückung und Ausbeutung leben – in einer Welt der Selbstbestimmung, des Respekts und der Solidarität.
Doch was bedeutet der Schwur von Buchenwald für uns?
Für eine Generation, die in den Wirren des Niedergangs des Realsozialismus groß geworden ist, war das Gedenken an die Verbrechen des Faschismus maximal ein Schulausflug in ein KZ oder nur eine paar Geschichtsstunden. Welche Verantwortung haben wir, die Jahrzehnte später geboren wurden?
Erst einmal müssen wir unseren eigenen historischen Kontext betrachten. Als Gruppen und Personen, die einen politischen Anspruch formulieren, sowie eine revolutionäre Praxis anstreben, sind wir die ideologischen Erben von bisherigen freiheitlichen und politischen Widerstandsbewegungen. Widerstand zu leisten, bis sich der Schwur von Buchenwald erfüllt, ist die Verantwortung, die an uns weitergegeben wurde. Denn eine grundlegende Veränderung der Welt hin zu einem besseren Ort, wurde immer noch nicht erreicht. Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg, Folter, Femizide, rassistische Pogrome und Genozide sind immer noch tägliche Realität.
Neben dem aktiven und kreativen Widerstand, den wir aufbauen und leisten müssen, spielt auch die Wiederaneignung und Entwicklung einer eigenen revolutionären Kultur eine große Rolle in unserem Kampf. Um dieser Kultur einen Raum zu geben, sind zentrale Tage der Erinnerung wichtig. Sie bringen uns den Menschen, die vor uns gekämpft haben, ein Stück näher und lassen uns erkennen, welche Opfer diese Menschen für uns gaben. So lassen sich auch unsere eigenen, aktuellen Kämpfe in einem anderen Kontext betrachten und mit Leben füllen. Dabei sind besonders Widerstandslieder, Musik und Gedichte eine starke Waffe gegen das Vergessen. Sie lassen uns Schmerz und Wut spüren, die wir in neue Kraft und Stärke für unsere Kämpfe umwandeln können.
Im Rahmen des Gedenkens haben wir zentrale Orte in Finsterwalde und Magdeburg besucht und dort den Opfern des Faschismus und den WiderstandskämpferInnen gedacht.
Magdeburg
In Magdeburg organisierten wir am 9. Mai einen Gedenkspaziergang durch Stadtfeld, an welchem ca. 40 Menschen teilnahmen. Ursprünglich planten wir für den 8. Mai einen ausführlicheren Vortrag und die Veröffentlichung einer Broschüre über das ehemalige Frauen-KZ in Stadtfeld. Aufgrund der Corona-Epidemie mussten wir dies jedoch auf Eis legen und werden es bei Gelegenheit nachholen.
Zunächst besuchten wir die Gedenkstätte des ehemaligen KZ der Polte-Werke (ein ehemaliger Munitionskonzern aus Sudenburg) in der Liebknechtstraße.
Nachdem im Jahr 1944 US-amerikanische und britische Bomber die Rüstungsproduktion des Reiches schwächten, sollten KZ-Häftlinge diese weiter am Laufen halten und die Polte-Werke errichteten dafür dieses Lager. Zunächst waren dort ausschließlich Frauen interniert. Später wurden auch Männer dort untergebracht.
Bevor wir am Mahnmal Kerzen anzündeten und Blumen niederlegten, wurde über das KZ, seine historische Bedeutung sowie über das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen informiert. Hierbei war es uns wichtig, Einzelschicksale der Internierten genauer zu beleuchten, um sie und ihr Leiden nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Danach begaben wir uns zur antifaschistischen Gedenkstätte auf dem Westfriedhof. Dort hielten wir eine Schweigeminute ab. Es folgte einen kurzen Redebeitrag zur staatlichen Mobilmachung, dem aktuellen faschistischem Terror und der Bedeutung des 8. und 9. Mai für uns. Anschließend sangen wir gemeinsam das “Lied von der Zoja”. Zoja war eine junge sowjetische Partisanin, welche im antifaschistischen Kampf gegen den Hitlerfaschismus gefallen war. Nach dem Lied legten wir Blumen, einen Kranz und Kerzen nieder, während auf der Flöte die Internationale gespielt wurde. Diese musikalischen Einlagen sind für uns ein Versuch, eine revolutionäre Erinnerungskultur zu etablieren und die Geister der Vergangenheit aufleben zu lassen. Denn wie oben schon erwähnt, sind Widerstandslieder eine wichtige Waffe gegen das Vergessen.
Finsterwalde
Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Stadt Finsterwalde durch die Truppen der Roten Armee und den Antifaschistischen Widerstandskämpfern wollten wir den Opfern des Nationalsozialismus gedenken. Erstmalig wollten wir in diesem Jahr eine kleine „Gedenktour“ durchführen, welche am 25.04.2020 ein Tag nach der Befreiung von Finsterwalde stattfinden sollte. Die Gedenktour sollte am ehemaligen VVN Denkmal am Springbrunnen in Finsterwalde starten. Weiter sollte es zum Geschwister Scholl Denkmal, zum Sowjetfriedhof und zum Denkmal für die deportierten KZ-Häftlinge auf dem Friedhof Finsterwalde gehen. Danach wollten wir gemeinsam nach Tröbitz zum jüdischen Friedhof fahren, wo wir dem „Verlorenen Zug“ gedenken wollen. In dem Zug befanden sich KZ-Häftlinge aus Bergen-Belsen, welche in Viehwaggons getrieben mehrere Tage durch Deutschland fuhren, bis der Zug wegen einer gesprengten Brücke bei Tröbitz stehen bleiben musste, zwei Tage später wurde der Zug durch die Rote Armee befreit. Zum Schluss sollte die Tour am KZ Schlieben-Berga enden, dort wollten wir den ehemaligen Häftlingen gedenken, die dort für die Wehrmacht Panzerfäuste produzieren mussten. Aufgrund der Corona Lage mussten wir die Tour in dieser Form leider absagen und haben diese in einer etwas kleineren Form auf den 08.05.2020 verlegt.
Am 08.05.2020 trafen wir uns dann zu einer kleinen Gedenktour, welche sich auf den Raum Finsterwalde begrenzte. Wir stellten am Geschwister Scholl Denkmal, am Sowjetfriedhof, am Denkmal für die deportierten KZ-Häftlinge und am K.P.D. Denkmal für die russischen Kriegsgefangenen Kerzen auf, entrollten die „Antifaschistische Aktion“ Fahne und legten jeweils eine Gedenkminute ein.
Zum Abschluss trafen wir uns am Springbrunnen wo zu DDR Zeiten das VVN Denkmal angebracht war. Dieses wurde nach der Wende entfernt und durch ein anderes ersetzt. Das neue Denkmal erinnert aber nicht mehr an die Widerstandskämpfer aus Finsterwalde, welche sich in einer Betriebsgruppe gegründet haben und die Befreiung von Finsterwalde planten und zusammen mit der Roten Armee durchführten. Einige von ihnen wurden vorher von den Nationalsozialisten in KZs deportiert oder ermordet. Wir fordern auch in diesem Jahr wieder die Stadt Finsterwalde auf, die Ehrentafel aufzuhängen. Das VVN Denkmal stand unter dem Titel „Wir starben für Freiheit und Gerechtigkeit, vollendet unsern Kampf“ in diesen Kampf stecken wir auch heute noch und werden diesen weitertragen und auch in Zukunft entschlossen gegen den Faschismus kämpfen!
Eine ausführlichere Gedenktour in die Umgebung von Finsterwalde wir es bald geben. Den Termin werden wir dann rechtzeitig veröffentlichen. Weiterhin wird die widerständige Geschichte von Finsterwalde im Laufe des Jahres weiter aufgearbeitet und es werden weitere Aktionen folgen.
Abschließend wollen wir sagen, das dass Beispiel der anarchistischen und kommunistischen Widerstandskämpferinnen und Kämpfer uns zeigt, dass wir heute schon anfangen müssen, den antifaschistischen Selbstschutz aufzubauen und nicht warten dürfen, bis es zu spät ist. Der Faschismus ist eine Ausgeburt des weltweiten Kapitalismus/Imperialismus, deshalb muss unser Widerstand und Solidarität auch international sein. Die globalen Kämpfe gegen Patriachat, Kapital und den Staat sind unsere Kämpfe und genauso sind die Kämpfe, die wir hier führen, die Kämpfe unser GenossInnen in anderen Teilen der Welt. In diesem Sinne:
Erinnern heißt kämpfen
Kein Vergeben, kein Vergessen
Schulter an Schulter gegen den Faschismus
Bilder Finsterwalde
Bilder Magdeburg